Endlich Nichts - Heidemarie Langer, M.A.

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Endlich Nichts

Es war mal wieder soweit. Pünktlich wie in jedem Jahr vor unseren
geplanten Ferien sahen wir den Riesenberg unerledigter Aufgaben
und begingen den rituellen Streit über unser Wirtschaften.
Können wir es uns überhaupt leisten, weg zu fahren?
Diese Frage gehörte ebenso zum Ritus wie unsere Antwort darauf. 
Wir waren doch zu dem Zeitpunkt allesamt 
erschöpft und hatten nur einen einzigen Wunsch:
Nischt wie raus aus dem Ganzen, nichts wie weg, Ferien, blau machen, frei haben!
Endlich nichts!
Das war Konsens.
Es war soweit. Wir brachen auf.
Wir wussten, wir würden Tage brauchen, um unseren Stress los zu werden 
und wieder frei atmen zu können. In diesem Jahr war es vor allem der angestaute Frust, 
der uns zu schaffen machte: die Quälereien in der Akquise, 
die Absagen, die schwierigen Kundenkontakte, das sich ständig neu Zeigen, 
am Markt Positionieren - Sich Anbieten, 
freundlich sein bis zum Abwinken – immer im Wissen –: 
wir sollten zuvorkommend sein, die Beziehungen pflegen.
Im Druck kommt unser Wissen ganz schön auf den Prüfstand. Das kennen wir.
Aber dieses Jahr war es besonders extrem. Klimawandel allerortens
Wie kommen wir durch? Wie kann es weiter gehen? Alltagsfragen.
Okay. Nun aber erst mal raus aus dem Ganzen, weg fahren, Ballast abwerfen,
den Kopf frei bekommen und ausatmen.
Gedacht getan. Wir radelten ins Blaue.
Und tatsächlich erfuhren wir über die Tage unseren Wunsch: endlich Nichts!
Das pure Glück!
„Endlich nichts!“ wurde unser Reiseslogan, der uns zuweilen ganz schön zum Lachen brachte.
Was uns das Jahr über geplagt hatte: viel zu wenig Aufträge und unsere Angst vor dem Nichts - 
das kam uns nun als Glück entgegen.
Endlich Nichts – Freiheit!
„Gottvoll“, sagte einer von uns. Und so wars. Ja, so wars.
„Gottvoll – nichts – „
Ich merkte, wie mich die Worte beim Fahren immer wieder bewegten
und meine Gedanken lenkten, mein Wahrnehmen.
„Nichts – Gottvoll-„
Farben, Weite, Bewegung, Atem..
Eine Ewigkeit nur so radeln...
Welches Geschenk „gottvoll – nichts“!

Irgendwann fragte ich mich, woher ich die Worte kannte? Ich wusste, ich kannte sie.
Waren sie nicht aus der alten Schrift, aus dem Uranbeginn vor der Erschaffung der
Welt – noch vor allem - das Nichts und Gott?
War das so?
Und wenn, war Gott so glücklich im Nichts wie ich im Moment, frei und glücklich?
Radel- Gedanken.
Wie viele Ewigkeiten ? Ewig?
Er wurde schöpferisch, radelte es in mir weiter,
eines Tages wurde er aus dem glücklichen Nichts heraus schöpferisch.
Creativa. Da ist sie.
Ich radele weiter. Heilige Creativa!
Wo in aller Welt ist sie in meinem kleinen Leben nur geblieben? Wo sind meine
Ideen, wo ist meine Kraft und Schaffenslust?
Weiter radeln.
Rädchen im Getriebe, Getriebene sind wir geworden. Das ganze Jahr eine einzige
Plackerei, viel zu reaktiv.
Reaktiv - kreativ –
Wie nebenbei merke ich, dass es dieselben Buchstaben sind.
Blödes Wortspiel, es sind keine Buchstaben, es sind zwei völlig verschiedene
Welten! Und ich will wieder in meine Kreativa!
In die Pedale!
„Es werde!“ Irgendwann, als mich der Radel-Rhythmus wieder ausbalanciert hatte,
erinnerte ich mich an diese Worte, die Anfangsworte Gottes in der
Schöpfungsgeschichte.
„Es werde!“ Was für ein Impuls am Beginn der Welt,
Entschlusskraft, Entschiedenheit, zielende Kreativität! Gottvoll!
Er muss es vor sich gesehen haben, dachte ich im Weiterfahren.
Wie ein weites großes Bild wird er es vor sich gesehen haben, was werden sollte.
Es war in ihm schon da, schon wirklich. Und dann kam die Absicht, der Entschluß,
das schöpferische Tun.
Weiter Radeln. Die Landschaft.
Heilige Creativa, dachte ich, habe i c h denn ein Bild, das werden will?
Was ist mein Bild, was sehe ich vor mir, wie mein Leben aussehen kann,
meine Arbeit, unsere Zukunft?
Es ist doch ganz klar, auch für uns:
Wenn wir im Alltag neu kreativ werden wollen – trotz, inmitten aller Schwierigkeiten –,
dann brauchen wir ein inneres Bild, eine Absicht, weite Intention.
Es wird unseren Unternehmergeist erneuern.
Das müssen wir unbedingt besprechen.
Beglückt und vielleicht ein wenig zu begeistert erzählte ich abends
in froher Tischrunde von meinen Einfällen und Fragen.
Und was sagten meine Freunde?
„Schön und gut, aber das braucht Zeit, das muss sich doch in Ruhe entwickeln
können. Jetzt ist erst mal Re-Creativa dran, „endlich nichts“- und Gott sei Dank
noch lang!“
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